INSPIRATION FARN

Unter dem Thema "Natur und Gestaltung" wurden im folgenden Projekt die ästhetischen und funktionalen Aspekte des sich ausrollenden Farnblattes untersucht und der Versuch unternommen eine technische Interpretation einzelner Punkte zu realisieren.
In einer Reihe von Tests, die den Nachbau einzelner Bereiche solcher Farnblätter verfolgen, sollen unterschiedliche Gesichtspunkte näher betrachtet werden und gegebenenfalls Ansätze und Techniken gefunden werden, die bei späteren Konzepten und Produktentwicklungen zur Anwendung kommen könnten. Da es sich hier allerdings nicht um ein Bionik-Projekt handelt, dient das untersuchte Farnblatt an vielen Stellen viel mehr als Inspirationsquelle und nicht als eine 1:1 Vorlage einer technischen Entwicklung. Bei der Ausarbeitung wurde somit bewusst der Fokus auf die Recherche, die Untersuchungen und die praktischen Versuche gelegt. So wurde eine ergebnisoffene Umsetzung ohne die Notwenigkeit der Realisierung eines finalen Produktdesigns forciert.

Für die, der Ausarbeitung zu Grunde liegenden, Untersuchungen wurden die Blätter des Straußenfarns, Matteuccia struthiopteris, gewählt, da diese zum einen die gewünschte Abrollbewegung beim Wachstum vollziehen und da es sich zum anderen um eine lokal in großen Mengen verfügbare, einheimische Art handelt. Der äußere Aufbau des Farnblattes zeichnet sich durch zwei Hauptmerkmale aus, dem fraktalen Aufbau und der Ähnlichkeit der eingerollten Blattenden mit der Fibonacci-Spirale. Das Farnblatt besteht aus einem Hauptstängel, der sich beim Wachstum entfaltet bzw. entrollt. An beiden Seiten dieses Stängels wachsen gegenüberliegend kleinere Triebe, die ihrerseits durch eine ähnliche, gegenüberliegende, seitliche Ausbildung in Blättchen unterteilt werden. So entsteht, durch die wiederholten, seitlich ausgebildeten, selbstähnlichen Strukturen der erwähnte, simple fraktale Aufbau. Die seitlichen kleinen „Blätter“ entrollen sich hierbei ebenso wie der Haupttrieb beim Wachstum. Die Ansatzpunkte der kleineren Stängel am Hauptblatttrieb liegen sich meist direkt gegenüber, haben aber derweilen einen leichten, unregelmäßigen Versatz. Bei der Untersuchung der Rollbewegung und auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, warum gerade diese Form als so ästhetisch angesehen wird, gelangt man unweigerlich zum Golden Schnitt und zur Fibonacci-Spirale. Mit der Hoffnung auf Anregung für die späteren Versuche, wurden einige Blätter des Farns genauer unter die Lupe genommen; das heißt der Haupttrieb des Blattes in Querschnitt untersucht. Durch das Festhalten des Aufbaus dieses Stängels an unterschiedlichen Bereichen sollten die Möglichkeiten auf Rückschlüsse zum Abrollverhalten ausgelotet werden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse über die Änderung der Grundform des Blattstieles und der inneren Struktur (im unteren, älteren Bereich ausgeprägte, steife V-Form, oben flexibel und rund) waren beispielsweise die Inspiration für die Technik der ersten Versuche und Modelle.



Die ersten Versuche entstanden auf Basis der Vermutung, dass die V-Form des unteren Bereiches des Farnblattes für die Stabilität des Stiles sorgt, während der runde Bereich im oberen, gerollten Teil recht flexibel bleibt. So wurde ein Farnblatt-förmiger Prototyp aus Pappe erstellt, in den, unterstützt durch Einschnitte, mehrere Querknicke eingearbeitet wurden, sodass ein Aufrollen nachgebildet werden konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Pappe wurde ein Längsschnitt erzeugt, über den die Pappe in dieser Richtung in ein V geknickt werden kann. Wenn diese Knickung erfolgt, werden die Querknicke in ihre Ausgangslage versetzt, sodass sich die gerollte Form auflöst. So wird der Eindruck eines Abrollens erweckt, während der resultierende Stab drastisch an Steifigkeit gewinnt.
Nach verschiedenen Versuchen auf dieser Basis, wurde nach Wegen gesucht eine gewisse Vorspannung in die aufgerollte Stellung zu integrieren, sodass ein wiederholtes Abrollen durch knicken der V-Form und ein automatisches Einrollen durch ein gerade knicken möglich ist. Zwar ist dieses Verhalten beim Farnblatt nicht vorhanden, für eine mögliche Implementierung des Ergebnisses in ein Produkt macht ein reversibler, wiederholbarer Mechanismus wohl an den meisten Stellen mehr Sinn als eine einmal ausführbare Aktion.
Nach einer Vielzahl anderer Versuchsansätze, etwa zur Ausbildung der fraktalen Struktur und Ansätzen zur Nutzung von Zug- und Drucksystemen, entwickelten sich zwei Systeme, die weiter ausgearbeitet wurden.

Das erstes weiterentwickelte System fasst die Ergebnisse der ersten, schon beschriebenen Versuche mit Pappe zusammen. Es besteht aus einer oberen und unteren Lage aus Balsaholzteilen, die über ein mittleres Stoffstück verbunden sind. Die oberen Holzteile weisen Fasen in Querrichtung auf, sodass das zuvor beschriebene Aufrollen des "Blattes" möglich ist. Die Größe der einzelnen Segmente und die jeweiligen Knickwinkel sind so gewählt, dass sich eine Repräsentation der Fibonacci-Spirale ergibt. Die Segmente der unteren Holzlage weisen eine Fase in Längsrichtung auf, so dass ein Knicken in die ebenfalls schon beschriebene V-Form möglich ist, wodurch die Ausrollbewegung erzeugt wird. Über eine Gummierung der Oberseite, genauer der Quergelenke, wird eine Vorspannung in das System eingebracht, was ein automatisches Einrollen des Aufbaus, beim Loslassen, ermöglicht.

Das letzte und wohl komplexeste Modell, das in der Versuchsreihe entstanden ist, ist ein dreistufiger, über Drahtseilzüge einrollbarer Aufbau aus Aluminiumsegmenten auf einer flexiblen Welle. Über je einen Heben lassen sich die oberen Seilzüge anziehen und die Welle durch den entstehenden Zug nach oben einrollen. Durch ein lockern dieser Spannung und einem Zug der unteren Seilzüge kann das entsprechende Segment wieder in die gerade Position gebracht werden. Geschieht dies nacheinander für die drei Stufen, beginnend mit der Hinteren, so ergibt sich das gewünschte Ausrollverhalten.